Sorge vor zu hoher Radioaktivität    Nordd. Rundschau vom 12.12.2018
BRUNSBÜTTEL/WILSTER Eine Sammeleinwendung mit 500 Unterschriften gegen die Einleitung von radioaktiv belastetem Wasser aus dem stillgelegten Atomkraftwerk Brunsbüttel in die Elbe haben Vertreter der Initiative Brok-dorf akut und der Kreisgruppe Steinburg des BUND bei der Bauverwaltung des Amtes Wilstermarsch abgegeben. Grund für die Aktion ist ein von der Betreibergesellschaft Vattenfall gestellter Antrag auf die Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis für die Einleitung von erwärmtem Kühl- und Abwasser in die Elbe.

Zudem wird beantragt, den Grenzwert für radioaktive Stoffe, die jährlich über das Abwasser abgeführt werden dürfen, auf 185 Milliarden Becquerel festzusetzen sowie die Genehmigung für den Bau einer rund 200 Meter langen Ableitung zur besseren Verdünnung radioaktiv kontaminierter Abwässer.
„Warum wird der beantragte Grenzwert jetzt nicht nach unten korrigiert?"
Karsten Hinrichsen
Brokdorf akut
„Der beantragte Grenzwert in Verbindung mit dem Bauantrag für das Abwasserrohr erwecken unser Misstrauen", sagt Rarsten Hinrichsen von Brokdorf akut und erläutert: „Während des Betriebes hat Vattenfall augenscheinlich gute Arbeit geleistet und die genehmigten Grenzwerte zu weniger als 0,01 Prozent ausgeschöpft. Warum wird der beantragte Grenzwert jetzt nicht entsprechend nach unten korrigiert?" Obwohl im Kernkraftwerk keine Brennelemente mehr vorhanden seien und es quasi kaum noch etwas zu kühlen gebe, werde weiterhin mit der Entnahme und Einleitung von gut 10 Millionen Kubikmetern Elbwasser pro Jahr geplant, kritisieren die Urnweltverbände. „Wir befürchten, dass sich der Betreiber des AKW Brunsbüttel während des Rückbaus zwar an die Grenzwerte, jedoch nicht an das Gebot der Strahlenminimie-rung und der Zustandsverbesserung für die Elbe halten wird", so Eilhard Stelzner. Radioaktive Abfälle vorn Rückbau könnten auf günstige Art und Weise über die Abwässer entsorgt werden. „Warum sonst will der Betreiber mit dem Abwasserauslass weiter in die Elbe hinein gehen und eine bessere Verdünnung erzielen?", fragt Hinrichsen. Die Radioaktivität könnte am Ende sogar zu höheren Strahlenwerten im Gemüse führen. In Niedersachsen haben sich daher laut NDR 4400 Menschen der Unterschriftenaktion angeschlossen.

„Vor 30 Jahren wäre es gar nicht messbar gewesen"
BRUNSBÜTTEL Als Panikmache wertet man bei Vattenfall das Vorgehen von Umweltschützern bei der beantragten Genehmigung zur Wassereinleitung in die Elbe. Hintergrund ist die abgelaufene Genehmigung, die nun verlängert werden soll. Dies sei gängige Praxis und verpflichtend für alle Unternehmen, die Wasser der Elbe entnehmen und zuführen wollen, sagt Olaf Hiel, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit im Kernkraftwerk Brunsbüttel. „Da unser Unternehmen mit radioaktiven Stoffen arbeitet, wird bei uns neben zahlreichen anderen Werten insbesondere die Radioaktivität besonders streng überwacht." Der beantragte Jahreswert ergebe sich aus dem Grenzwert, der in den Genehmigungen der zurückliegenden 40 Jahre vom Bundesamt für Strahlenschutz festgelegt worden war. Im Folgeantrag wurde dieser Wert übernommen. Mit gutem Gewissen, denn: „Wir sind rechtlich dazu verpflichtet, grundsätzlich alles Erdenkliche zu unternehmen, um den Strahlenwert unabhängig vom Grenzwert so gering wie nur möglich zu halten. Dass wir uns an die Verpflichtung halten, wird strikt überwacht." Angesichts der strengen Auflagen und der hohen Fließgeschwindigkeit der Elbe sei die Radioaktivität, die durch das Abwasser in der Elbe landet, nahezu nicht messbar. „Vor 30 Jahren wäre es gar nicht messbar gewesen. Heute sind die Messgeräte jedoch so empfindlich geworden, dass sich ein Stück Würfelzucker im Bodensee konventionell und radiochemisch der tausendste Teil eines Atoms nachweisen lässt", erläutert Matthias Roßkamp, Strahlenschutz-beauftragter des Kernkraftwerks Brunsbüttel. Kernenergiegegner schürten hier gezielt Ängste. „Bei dem Thema Freimessung wurde argumentiert, dass belasteter Stahl in Zahnspangen landen könnte. Ich würde mir jederzeit eine Zahnspange einsetzen lassen, die freigemessenes Material enthält", unterstreicht Roßkamp und ergänzt: „Bei jeder Röntgenuntersuchung, jedem Interkontinentalflug wäre ich einer deutlich höheren Belastung ausgesetzt." Und die Behauptung, Plutonium würde in die Elbe eingeleitet, „ist in dieser Form völlig unsinnig", unterstreicht Roßkamp.