Kommentar: EU-Überlegungen zu Atomkraft:    DLZ vom 18.05.2016
Grotesk Von Martin Köhm Der Bundesregierung wird oft genug vorgeworfen, dass sie in der EU den Taktstock schwingt und andere Länder nach ihrer Pfeife tanzen lässt. Dabei zeigen die aktuellen Gedankenspiele der EU-Kommission zur Atomkraftforschung, wie anders die Uhren in Brüssel und Berlin manchmal ticken. Oder anders formuliert: Europa denkt gar nicht daran, am deutschen Energiewendewesen zu genesen. Es ist schon grotesk: Da ringen in Deutschland die politischen Lager jahrelang um das Für und Wider, bis die Katastrophe von Fukushima Kanzlerin Merkel höchstselbst dazu bringt, sich an die Spitze der Anti-Atomkraft-Bewegung zu setzen’. Es folgt eine in vielen Details umstrittene Energiewende, die in anderen EU-Ländern vor allem Kopfschütteln, keinesfalls aber Nachahmungstriebe auslöst. Und nun denkt die EU über kleine und flexible Mini-AKWs nach. Natürlich betont die Kommission, dass es sich dabei nicht um eine endgültige Position handle. Natürlich nicht - die Bundesregierung wäre in diesem Fall auch restlos blamiert. Aber auch so wird Berlin sehr deutlich gemacht, dass Deutschland mit seinem AntiAtom-Kurs weitgehend allein dasteht. Die Reaktionen zeigen, wie überraschend diese Erkenntnis kommt. Wirtschaftsminister Gabriel spricht von einer europäischen Energieunion, die nun torpediert werde; aus den Reihen der Grünen kommt der Vorwurf, die Kommission wolle das Rad der Geschichte zurückdrehen. Genauso ließe sich jedoch vermuten, dass die Deutschen vorgeprescht sind in der stillschweigenden Annahme, die anderen würden schon folgen. Wenn denn schon die Energiepolitik von Brüssel aus vorgegeben werden soll, müsste sich Gabriel mit seinen Kollegen um eine gemeinsame Linie bemühen, die aber nicht automatisch der deutschen Position entsprechen muss.